1% oder 25%? Zwei Studien versuchen, den Einfluss illegaler Aktivitäten in Bitco…

Nebel. Bild von Jonathan Kos-Read via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Zwei neue Studien schätzen, welchen Anteil kriminelle Transaktionen am Bitcoin-Ökosystem haben. Die Antworten sind so unterschiedlich, dass vermutlich keine der beiden Studien ein valides Ergebnis liefern kann. Methodisch betrachtet sind die Arbeiten aber hochinteressant – wenn auch nicht wasserdicht.

Sex, Drugs and Bitcoin

Die erste hier vorgestellte Studie trägt den Titel “ Sex, Drugs, and Bitcoin: How Much Illegal Activity Is Financed Through Cryptocurrencies? “. Sie wurde von drei Wirtschaftswissenschaftlern aus Sydney und Riga verfasst. Die Wissenschaftler haben dabei ein weites Set an Werkzeugen verwendet, um die gesamte illegale Aktivität im Bitcoin-Universum aufzudecken. Ihr Ergebnis ist extrem: “Wir haben herausgefunden, dass etwa ein Viertel der Bitcoin-User und die Hälfte der Bitcoin-Transaktionen mit illegalen Aktivitäten verbunden sind.” Insgesamt entspreche dies etwa 72 Milliarden Dollar im Jahr, womit Bitcoin in einer Liga mit den amerikanischen und europäischen Märkten für illegale Drogen spiele.

Woher wissen die Forscher dies? Sie haben alle verfügbaren Daten und Methoden benutzt, um die “illegalen” von den “legalen” Nutzern zu trennen und deren Anteil herauszufinden. Methodisch ist dies äußerst interessant, da es beinah das komplette Spektrum von dem abdeckt, was durch Blockchain-Analysen möglich ist.

Die User

Zunächst haben die Forscher alle Adressen auf der Blockchain zu Wallets verbunden. Dabei haben sie den Union-Find-Algorithmus benutzt, der Transaktionen analysiert und Cluster bildet. Wenn jemand beispielsweise mit zwei verschiedenen Adressen Bitcoins empfängt und danach eine Transaktion bildet, in der diese beiden Adressen Inputs sind, dann zeigt dies, dass die beiden Adressen demselben Besitzer gehören. Auf diese Weise lässt sich eingermaßen sicher feststellen, welche Adressen in eine Wallet gehören.

Um das Sample von Usern zu filtern, haben die Forschern dann die Transaktionen von Börsen und Minern sowie alle Transaktionen mit einem Wert unter einem Dollar herausgeschnitten. Nach diesen Operationen hatten sie eine Datenbank von etwa 106 Millionen User, die zusammen 606 Millionen Transaktionen im Wert von etwa 1,9 Billionen Dollar ausgeführt haben. Diese User haben sie dann nach bestimmten Eigenschaften sortiert, wie etwa der Anzahl an Transaktionen, der durchschnittliche Größe der Transaktionen, der Anzahl an Gegenparteien, der Nutzung von Mixern und so weiter.

Kriminelle Verwicklungen

Schließlich haben die Forscher dieses Sample an Usern mit kriminellen Aktivitäten in Verbindung gebracht. Dazu haben sie drei Methoden benutzt. Erstens haben sie nach Bitcoin-Beschlagnahmungen durch die Behörden geschaut, wozu sie etwa Gerichtsakten in den USA durchsucht haben. Da diese Akten Hinweise auf Transaktionen oder Adressen enthielten, konnten sie damit den User identifizieren. Ähnliches gelang durch die Analyse von Versteigerungen konfiszierter Bitcoins. Auf diese Weise konnten sie 1.016 illegale User identifizieren.

Die zweite Methode führte zu den meisten Erfolgen. Die Forscher haben die “Hot Wallets” von 17 Darknet-Marktpklätzen identifiziert. Mithilfe der Wallet-Analyse konnten sie die Adressen und Wallets der User auffinden, was zu ein wenig mehr als 6 Millionen Kunden der Darknet-Märkte geführt hat. Die dritte Methode schließlich baute auf Analysen von Online-Foren auf. In diesen haben User gelegentlich ihre Adresse gepostet, etwa um nachzufragen, was mit einer Transaktion geschehen ist. Hierdurch haben die Wissenschaftler weitere 446 kriminelle User entdeckt.

Damit haben die Forscher insgesamt 6.223.337 kriminelle Bitcoin-User identifiziert. Diese repräsentieren 5,86 Prozent aller Bitcoin-User. Wenn man es auf Transaktionen hochrechnet, ist ihr Anteil noch größer – nämlich rund ein Drittel aller Transaktion.

Kriminelle Aktivitäten

Allerdings haben wir damit nur den ersten Teil. Im zweiten haben die Forscher versucht, Schätzungen zu illegalen Aktivitäten mit Bitcoin abzugeben, die nicht von bereits bestehenden Verbindungen abhängen.

Hierfür haben sie zwei Methoden angewandt. Erstens haben sie aufgrund der Transaktionshistorien Netzwerk-Topologien gebildet. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn deine Freunde Diebe sind, bist du auch einer. “Wenn wir wissen, dass die User A, B und C in illegale Aktivitäten involviert sind (beispielsweise weil ihre Bitcoins von der Polizei beschlagnahmt wurden), dürfte ein User X, der ausschließlich oder überwiegend mit A, B und C handelt, ebenfalls in illegale Handlungen verwickelt sind.” Mithilfe von Algorithmen haben die Forscher so versucht, die Topologien von illegalen Netzwerken nachzuzeichnen.

Zweitens haben die Wissenschaftler die Nutzungsmuster von anständigen und kriminellen Bitcoin-Usern verglichen. So gibt es mehrere Anhaltspunkte für Illegalität: Kriminelle Nutzer versenden mehr Transaktionen (während gesetzestreue Nutzer Bitcoins eher horten), sie neigen dazu, Methoden zu nutzen, um die Herkunft ihrer Coins zu verschleiern, etwa Mixer, und schließlich korreliert ihre Aktivität stärker mit einer hohen Aktivität in der Darknert-Szene, aber kaum mit dem in Google-Trends festzustellenden Bitcoin-Hypes, die offenbar eher das Interesse von Investoren ausdrücken.

Die beiden Methoden erlauben eine weitere Schätzung, wie hoch der Anteil der Bitcoin-User ist, die mit illegalen Aktivitäten zu tun haben. Der Mittelwert zwischen beiden Schätzungen ist etwa 25 Prozent, was etwa in 26,8 Millionen kriminellen Bitcoin-Usern mündet, denen knapp 80 Millionen ehrliche User gegenüberstehen. Diese 25 Prozent der User sorgen allerdings für einen deutlich höheren Anteil an Transaktionen, den die Forscher mit etwa 44 Prozent oder 269 Millionen Transaktionen angeben.

Diese Ergebnisse, so die Forscher, sagen auch etwas über den intrinsischen Wert von Bitcoin aus. “Unsere Resultate zeigen, dass Bitcoin als ein Zahlungsmittel derzeit relativ weitläufig genutzt wird, um mit illegalen Gütern oder Dienstleistungen zu handeln, und dass die illegale Nutzung von Bitcoin damit vermutlich einen wichtigen Beitrag zum fundamentalen Wert von Bitcoin leistet.”

Allerdings ist dies nur die Perspektive einer Studie. Eine andere Untersuchung kommt zu deutlich anderen Ergebnissen.

Bitcoin-Wäsche

Die zweite aktuelle Studie zur Kriminalität auf der Blockchain trägt den Titel “ Bitcoin Laundering: An Analysis of Illicit Flows into Digital Currency Services ” (“Bitcoin-Geldwäsche: Eine Analyse von illegalen Geldströmen auf Dienstleister im Bereich der Digitalen Währungen”). Sie wurde vom Center on Sanctions and Illicit Finance (Zentrum für Sanktionen und illegale Finanzen), ein Think Tank, der die amerikanische Regierung berät, sowie Elliptic, einer Firma, die die Blockchain untersucht und diesen Service auch verkauft, herausgegeben.

Die von den beiden Organisationen publizierte Kurzstudie geht vor allem der Geldwäsche von Bitcoins nach, also jenem Vorgang, der die (kriminelle) Herkunft von Bitcoins verschleiert und diese in “saubere” Bitcoins oder gleich Dollar wechselt. Dazu haben die Analysten Bitcoin-Transaktionen zwischen 2013 und 2016 untersucht, um Trends nachzuzeichnen, welche Wege Bitcoins, die eindeutig mit kriminellen Machenschaften zu verbinden sind, gehen, um gewechselt oder gesäubert zu werden. “Die Parameter der Studie sind absichtlich schlank gehalten, um die Daten besser beherrschbar zu machen,” erklären die Autoren. Sie räumen ein, dass “dies vermutlich das Volumen der für die Analyse verwendeten kriminellen Transaktionen reduzieren wird.” Weniger als die Menge kommt es der Studie auf die Muster an.

Um die “schmutzigen” Bitcoins zu identifizieren, wurde das Analyse-Tool von Elliptic verwendet. Dieses kombiniert die öffentlichen Blockchain-Daten mit einem privaten Set an Daten, welches Bitcoin-Adressen mit bekannten Entitäten verbinden, was Börsen, aber auch Erpresser oder Darknet-Märkte sein können. “Wir haben 214 einzigartige Konversions-Services beobachtet, darunter Börsen für Virtuelle Währungen, Glücksspiel-Seiten und Mixer.” Dazu kamen noch 102 illegale Entitäten.

Die Autoren machen keinen Hehl daraus, dass die Studie nur eine limitierte Aussagekraft haben kann. “Die Studie betrachtet deutlich mehr als eine halbe Million Bitcoins, die in den Jahren 2013 bis 2016 direkt von illegalen Quellen zu den Konversions-Services geflossen sind. Dies soll keine erschöpfende Übersicht über diese Art von Aktivität sein, da wir nicht versucht haben, alle illegalen Quellen von Bitcoins zu identifizieren. Allerdings deckt es die Mehrheit der bekannten, signifikanten Entitäten dieser Art ab.” Nicht betrachtet werden jedoch Geldflüsse, die durch unbekannte Mittelsmänner gehen, bevor sie bei den Wechselplattformen landen. Daher gehen die Autoren davon aus, dass das tatsächliche Volumen deutlich größer ist.

Trotz dieser Einschränkungen dürfte es überraschend sein, wie weit die Ergebnisse von denen der ersten Studie abweichen. Die überwältigende Mehrheit der kriminellen Geldflüsse kommt von relativ wenig Entitäten, vor allem den großen Darknet-Marktplätzen. Neun von 102 illegalen Entitätem sorgten für 95 Prozent der gewaschenen Bitcoins. “Unserer Studie zufolge war die absolute Prozentzahl von ‘schmutzigen Bitcoins’, die auf den Konvsersions-Plattformen landete, eher gering. Nur 0,61 Prozent des Geldes, das in den vier Jahren hier ankam, konnte einer illegalen Quelle zugewiesen werden, mit dem höchsten Wert (1,07%) in 2013.”

Zwar gehen die Autoren davon aus, dass der wahre Anteil höher liegt. Gewiss aber nicht davon aus, dass er um das 25-Fache über ihrer Schätzung liegt.

Methodische Problemzonen

Die Ergebnisse der beiden Studien zeichnen ein sehr unterschiedliches Bild vom Anteil des illegalen Handels an Bitcoin. Auch eine Studie von Europol über die Darknet-Markets legt nahe, dass das Volumen dieser Märkte sehr gering ist, wenn man es mit dem allgemeinen Drogenhandel oder den legalen Bitcoin-Transaktionen vergleicht, wie auch eine Studie eines internationalen Forschungsteams gezeigt hat, dass die kriminelle Nutzung von Bitcoin deutlich zurückgeht.

Woher kommen diese riesigen Unterschiede? Daher, dass jede Statistik vor allem das bestätigt, was ihre Macher aussagen wollen? Wollen die Forscher aus Sydney und Riga den Anteil krimineller Aktivität möglichst hochrechnen, während ihn Elliptic eher kleinrechnet? Beide Studien dürften ihre Mängel haben, die vielleicht zeigen, inwieweit sie etwas danebenliegen.

Die Studie von Elliptic und dem Center of Sanction and illicit Finance erklärt selbst, dass sie nicht repräsentativ ist und es durchaus möglich ist, dass der echte Anteil der illegalen Transaktionen erheblich höher liegt. Aber liegt er so hoch, wie es die andere Studie nahelegt?

Wenn wir genauer hinschauen, finden wir in der Studie der Forscher aus Sydney und Riga einige methodische Schwachstellen, die die Ergebnisse weniger valide machen. Etwa die Schätzung der User-Anzahl durch das Verbinden von Adressen zu Wallets. Dieses “Clustering” lieferrt zwar Einsichten, aber eher keine belastbaren Ergebnisse. Denn es ist nicht so arg schwierig, dem Clustering zu entgehen. Man kann etwa mit Trezor, Ledger oder Electrum verschiedene Wallets bilden und diese konsequent voneinander trennen. Auf diese Weise kann ein User mehrere Wallets haben, die nicht in Verbindung zu bringen sind. Damit ist einer der Ausgangspunkte der Studie – die Anzahl der User – eine stark fragwürdige Angabe. Man sollte nicht nur annehmen, dass die tatsächliche Anzahl an Usern deutlich geringer ist, sondern auch, dass kriminelle User mehr Energie investieren, um Wallet-Verbindungen zu verhindern. Damit dürfte nicht nur die absolute, sondern auch die relative Anzahl krimineller Nutzer deutlich geringer sein als von der Studie angenommen.

Weiter haben die Forscher ihr Set an Usern vorgefiltert. Es wurden alle Transaktionen von Börsen und Minern sowie mit einem Wert unter einem Dollar herausgeschnitten. Damit zeigt die Studie nur eine Teilmenge der User. Die Leute, die Bitcoins von Börse zu Börse schicken, oder von Mining-Pool in die Spar-Wallet oder auf eine Börse, oder all die, die früher gerne mit Satoshi Dice gespielt, sich bei Faucets Bitcoins umsonst geholt haben oder sonstwie mit Microtransaktionen experimentiert haben – diese User zählen in der Studie gar nicht als User. Dass der Anteil der Kriminellen User höher liegt, wenn man die Menge der User so reduziert, ist wenig überraschend.

Weiter könnte man noch anmerken, dass das Verbinden der Darknet-Hotwallets mit Usern auch legale User treffen kann, je nachdem, wie tief die Algorithmen graben – abgesehen davon, dass die Anzahl an echten Usern über das Wallet Clustering nicht valide zu benennen ist. Die Identifizierung durch Aktivitätsmuster bringt mit relativ großer Sicherheiheit falsche Treffern, etwa Leute, die Mixer verwenden oder generell gerne Bitcoins benutzen, um zu bezahlen oder anderweite (legale) Transaktionen zu tätigen.

Es gibt also sehr viele Punkte, die man an der Studie kritisieren kann. Solche Einschränken machen die Ergebnisse bestenfalls zu Schätzungen. Die tatsächlichen Werte können deutlich unter ihnen liegen.

Man kann allerdings kaum sagen, wo die Wahrheit ist. Bitcoins wird ohne Zweifel für illegale Dinge genutzt, und das auch in einem nicht unerheblichen Ausmaß. Ob dieses allerdings 2 oder 20 Prozent der verschiedenen Metriken für die Bitcoin-Aktivität – User, Transaktionen, Volumen – abdeckt, ist schwer zu sagen. Das System ist zwar in einem erschreckenden Ausmaß transparent – doch nicht genug, um die Frage nach dem Anteil illegaler Aktivitäten eindeutig zu beantworten.


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