„Das Netzwerk würde mit intelligenten Leuten nicht funktionieren.“ – BitcoinBlog…

Conviced, Bild von Stefan via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Es hat lange gedauert, aber nun ist der OneCoin-Schwindel endgültig vorbei. OneCoin gab vor, eine Kryptowährung zu sein, war aber in Wahrheit nur ein gigantisches Pyramidenspiel, das ahnungslosen Investoren Milliarden von Dollar aus der Tasche gezogen hat. Die Gründerin Ruja Ignatova wird per internationalem Haftbefehl gesucht, ihr Bruder Konstantin Ignatov in Los Angeles verhaftet. Ein weiterer Anführer wird ebenfalls angeklagt. Endlich.

Es ist schon ironisch. OneCoin war der größte Betrug im Krypto-Universum – und hatte überhaupt nichts mit Krypto zu tun, sondern repräsentiert die alte Welt des Finanzbetruges.

OneCoin war es ein Multi-Level-Marketing-System, das behauptete, eine supertolle Kryptowährung zu haben, die garantiert der nächste Bitcoin wird. Die Investoren, die bei solchen Systemen üblicherweise „Partner“ genannt werden, haben ein „Bildungspaket“ gekauft, um dadurch instruiert OneCoin-Pakete im Tupperdosenstil zu verkaufen. Weil jeder Investor verdient, wenn er andere Investoren an Bord bringt, wurde daraus ein rasch wachsendes Pyramidenspiel. Onecoin lief 2015 an, verbreitetet sich wie die Pest, und war ab spätestens 2017 vielerorts verboten und am Dahinsiechen. Nun zieht die US-Justiz die Verantwortlichen zur Rechenschaft.

Kopf und Gesicht hinter OneCoin war Ruja Ignatova, eine bulgarische Mathematikerin, die versteht, sich glamorös zu inszenieren. Am 6. März haben die Staatsanwaltschaft von New York, die Steuerfahnung sowie das FBI Rujas Bruder, Konstantin Ignatov, am Flughafen von Los Angeles festgenommen. Ruja selbst wird per internationalem Haftbefehl gesucht, ein weiterer Kollaborateur, Mark Scott, angeklagt, für OneCoin 400 Milionen Dollar gewaschen zu haben. Dies geschah, wohlgemerkt, nicht durch Kryptowährungen, sondern durch Banken. OneCoin hat mit Krypto nichts zu tun, aber sehr viel mit der Welt des Fiat-Betruges.

Der Staatsanwalt von Manhattan, Geoffrey Berman, stellt klar, dass OneCoin eben KEINE Kryptowährung war, sondern ein Pyramidenspiel der alten Schule: „Die Angeklagten haben eine Multi-Milliarden-Dollar ‚Kryptowährungs-‚Firma gegründet, die vollständig auf Lug und Betrug aufgebaut war. Sie haben riesige Gewinne und minimale Risiken versprochen, doch das Unternehmen war ein Pyramidenspiel, das mehr auf Schall und Rauch als auf Einsen und Nullen basierte. Investoren wurden zu Opfern, während die Angeklagten reich wurden. Unser Büro hat in der Vergangenheit viele finanziellen Betrüger verfolgt, verhaftet und verurteilt, und dieser Fall ist nicht anders.“

Auch der Staatsanwalt bekräftigt also, dass OneCoin nichts mit Kryptowährungen, aber viel mit dem klassichen Finanzbetrug zu tun hat. Wer das aber 2015 und 2016 schrieb, durfte sich auf Post vom Anwalt gefasst machen.

Die Rolle der Abmahn-Anwälte

Ich habe bereits 2015 über OneCoin geschrieben. Einer der „Partner“ fragte mich, ob er Werbung für OneCoin schalten kann. Ich habe abgelehnt, aber ihn zum Interview eingeladen. Damals wusste ich nichts über die „Währung“ und war ganz unvoreingenommen. Während wir geskypt haben, wurde mir aber klar, dass mein Gegenüber nicht die geringste Ahnung von Kryptowährungen hat, aber mir etwas verkaufen will, dass nach einem Pyramidenspiel stinkt. Nachdem ich den Artikel veröffentlicht hatte (der angesichts der Umstände extrem wohlwollend war), drohte mir mein Interviewpartner sofort mit juristischen Konsequenzen.

Zunächst aber wurde mein Blog zur Anlaufstelle von OneCoin-Jüngern. Der Artikel wurde mehr als 80.000 Mal aufgerufen, und ich war über Monate damit beschäftigt, die Kommentare der OneCoiner zu bearbeiten, die alle dieselbe Geschichte immer wieder erzählten und gar nicht in der Lage waren, das irgendwie zu diskutieren. Zwischenzeitlich hatte ich eine OneCoin-Obsession und habe alle Nachrichten dazu verfolgt.

Schließlich bekamen wir, wie vielen andere deutsche Blogger, eine Abmahnung von einer Hamburger Anwaltskanzlei, die durch juristischen Druck verhinderte, dass „falsche Tatsachenbehauptungen“ über OneCoin verbreitet wurden. Ich wünschte mir, es gäbe eine Diskussion darüber, welche Mitschuld solche Anwälte daran haben, dass Investoren Geld verlieren.

OneCoin war unglaublich ärgerlich, weil es Kryptowährungen auf die denkbar schlechteste Weise bekannt gemacht hat. In manchen Zeiten war OneCoin in der Öffentlichkeit bekannter als Bitcoin. 2015 gab es beispielsweise in Ulm kein Bitcoin-Meetup, aber ein Shop, der ein OneCoin-Logo auf der Türe hatte; eine Verwandte von mir hat zum ersten Mal von Kryptowährungen durch OneCoin gehört; und ein Unternehmer aus dem Finanzwesen, mit dem ich mal geredet habe, hat meinen Hinweis auf Bitcoin mit dem Satz beantwortet „Ach, Bitcoin, OneCoin und so …“. Ich werde immer noch wütend, wenn ich daran denke, und mir tut es um jeden Leid, der in guter Absicht durch OneCoin Geld verloren hat.

„Wir minen nicht wirklich – aber wir erzählen den Leuten diese Scheiße.“

Das Anklageschreiben gegen Konstantin Ignatov ist auf eine schaurige Weise amüsant. Es zeigt die Verkommenheit des Systems und die Skrupellosigkeit der Akteure – aber gleichzeitig auch Gewissensbisse von Ruja Ignatova.

Die Schrift beruft sich auf einen Mitgründer von OneCoin, der seit 2014 mit Ruja Ignatova in Kontakt stand. Ich vermute, er war eine wichtige Quelle für die Ermittler und hat durch umfangreiche Geständnisse einen Straferlass ausgehandelt. Im September 2016 tauscht er Nachrichten mit Konstantin aus. Er sagt, „diese Leute sind Idioten“ – er meint die Investoren bzw. „Partner“ – woraufhin Konstantin antwortet: „Wie du gesagt hast, das Netzwerk würde mit intelligenten Leuten nicht funktionieren.“ Besser kann man den Zynismus dieses Geschäftes nicht zum Ausruck bringen.

Weiter gibt es eine Nachricht von Ruja an den ungenannten Gründer, die zeigt, dass die Bulgarin von Anfang an einen Betrug geplant hat: „Wir minen nicht wirklich – aber wir erzählen den Leuten diese Scheiße.“

Schon 2014 schrieb Ruja dem besagten Mitgründer, dass es kein sauberes Projekt sei oder etwas, auf das man stolz sein könne. Aber „wir können das wirklich richtig groß machen – wie wenn MLM die Schlampe der Wall Street trifft.“

Der Erfolg von OneCoin war tatsächlich sensationell. Insgesamt wurden Umsätze von 3,35 Milliarden Dollar gemacht, wovon 2,23 Milliarden Gewinn waren. 60 Prozent der Erlöse kamen aus China, 18 aus Europa und 15 aus Australien. Die USA ist, interessanterweise, weniger stark vertreten, vermutlich weil die Aufsicht hier zu streng ist, als dass die OneCoin-Networker sich getraut haben, richtig aufzudrehen.

Ruja selbst schien unter Gewissensbissen zu leiden. „OneCoin begeistert mich nicht wirklich, und ich bin auch nicht stolz darauf. Ich habe viele schlechte Dinge in meinem Leben gemacht, viele dumme Dinge, viele Dinge, die grenzwertig waren – aber bisher noch nichts, wofür ich mich speziell geschämt habe – und es zerstört einen Teil von der, die ich war. Der Schaden ist da. Ich muss damit leben.“

Ich hoffe sehr, dass es vielen ähnlich geht, die OneCoin an Verwandte und Bekannte verkauft haben, in dem sicheren Wissen, keine Ahnung von der Sache zu haben, aber halt mal zu erzählen, dass OneCoin der nächste Bitcoin wird, einfach nur, weil sie davon profitieren wollen, dass andere auch einzusteigen.


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